Zeichengrenze und Mittagshöhe

 

 

- Bei Planetenpositionen vor der Häuserspitze, also kurz vor Beginn des nächsten Hauses, fällt der betreffende Planet dem folgenden Haus zu. Anschaulich ist hierbei das Bild einer Welle, die auf der Häuserspitze ihren Zenit erreicht, und demnach den Planeten, der kurz vor dem Zenit steht, mit hinüber nimmt. Münchner Rhythmenlehre

Der Orbis der Grenze dürfte sich nach der Größe des Hauses richten, in der Regel umfasst er die letzten drei Grade. 

 

- Im Unterschied zu den Phasen des Tages scheinen die Tierkreisphasen des Jahres auf der Ekliptik nicht davon betroffen zu sein. Ein Sonnenstand auf 27 Grad Steinbock gehört unverwechselbar dem Zeichen Steinbock an und nicht dem folgenden Wassermann. Und ein Sonnenstand auf  2 Grad Wassermann ist dem Wassermann zuzurechnen und nicht mehr dem Steinbock.

 

- Eine Steinbock-Prägung kann sich freilich ergeben, indem der Steinbock noch der Herrscher des Hauses ist, in dem die Sonne steht. Eine Wahrscheinlichkeit, die bei den ersten Graden im Wassermann eher gegeben ist als etwa von der Mitte des Zeichens an.

 

- Trotzdem weist ein Anfang Wassermann-Geborener recht unverwechselbar die Eigenschaften des Zeichens auf und kaum jemand würde etwa die Erzählungen E.T.A. Hoffmanns, der am 24. Januar geboren ist, als vom Zeichen Steinbock geprägt identifizieren.

 

- Aber was hat es mit dem Übergang der Zeichen auf sich? Gerade im Falle von Steinbock und Wassermann teilen sich nicht nur diese beiden Zeichen, sondern auch die Morgenhälfte und die Abendhälfte des Tierkreises. Es ist die Teilung der Parallelzeichen. Der doppelte Saturn. Denn dieser galt früher, vor der Entdeckung des Uranus, als  auch dem Wassermann zugehörig: der Saturn des Abends, dem Steinbock und der Saturn des Morgens dem Wassermann. 

 

- Es ist die Achse des Janus, des doppelgesichtigen altrömischen Gottes des Anfangs und der Türen. Er blickt zugleich zum Abend und zum Morgen hin. Nach Janus ist der Januar benannt, der elfte Monat, in den die Römer den Jahresanfang verlegten. Janus gilt als einer der römischen Urgötter. Insofern es die römische Kultur war, welche die Regelung des bürgerlichen Rechtswesens, also die Bürgerrechte hervorgebracht hat, entspricht dies dem Bild des doppelten Saturn.

Auf der Grenze von Wassermann und Steinbock treffen oder trennen sich, je nach Blickwinkel, der junge und der alte Saturn. Dies ist das Bild des doppelköpfigen Janus, bei dem ein mitunter bartloses, heiteres jüngeres und ein strenges älteres Gesicht in gegensätzliche Richtungen schauen. Ihm war der Anfang des Jahres und der Monat Januar zugeordnet.

"Zweiköpfiger Janus, Quelle des still gleitenden Jahres" ... "Der einzige Gott, der hinter sich sehen kann;"  nennt ihn Ovid. Als Festtag des Janus gibt er den 9. Januar an.

Es stellt sich Frage, welcher Tierkreisgrad mit dem Datum ursprünglich gemeint war.

Ovid, der im Jahre 43 vor Chr. geboren wurde, bezieht sich in seinen Gesängen zu den Festtagen, den Fasti,  bereits auf den Julianischen Kalender, der zwei Jahre vor seiner Geburt von Julius Cäsar eingeführt wurde.

Cäsar hatte den Beginn des neuen Kalenders und damit den 1. Januar des Jahres 45 vor Chr.  einmalig auf den ersten Neumond nach der vorausgegangenen Wintersonnenwende, bzw. dem Eintritt der Sonne in das Zeichen Steinbock gelegt, Dieser fand, nach heutiger Rechnung, am 23. Dezember. des Vorjahres statt. Der folgende Neumond war drei Wochen später am 12. Januar um 22:08 Uhr bei einem Sonnenstand von 20,6° Steinbock.

Der Folgetag war somit, je nach Sichtbarkeit des Neulichts, der 1. Januar des Julianischen Kalenders.

Das erste Janusfest der neuen Zeitrechnung, neun Tage später, fiel damit auf 0° oder 1° Grad Wassermann.

Es ist mithin davon auszugehen, dass sich Ovids Angabe des 9. Januars als Fest des Janus auf den Übergang der Zeichen Steinbock und Wassermann bezieht.

 

Daher ist die 11 die Zahl des Wassermanns. Sie enthält die Verdoppelung, das Bild des Janus.

Die Eins steht nicht mehr als Sonne für ein Zentrum, sondern zwei Einsen stehen sich polar gegenüber, im Sinne der Entstehung der Polarität von Ich und Du im Wassermann.


- Allerdings nicht bei den Römern, die die 11 noch nicht mit den arabischen Ziffern darstellten, sondern als zehn und eins: XI.

Der Elfte im Elften >>

 

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- Es ergibt sich noch eine andere Prägung durch das benachbarte Zeichen als die der Häuserbesetzung. Diese betrifft jedoch nur den letzten und den ersten Grad des vorherigen oder nachfolgenden Zeichens, nämlich die Strecke, die die Sonne an einem Tag zurücklegt. Diese Prägung ergibt sich aus dem Sonnenstand der jeweiligen Mittagshöhe, dem MC-Horoskop

 

- Das Horoskop der Mittagshöhe kann bei Geburtstagen und Ereignissen herangezogen werden, wenn eine genaue Tageszeit nicht bekannt ist. Es betrifft in seiner mundanen, generellen Aussage die Bestimmung des Tages aller an diesem Tag und Ort Geborenen. Es ist umso aussagekräftiger, je größer die Bedeutung eines an einem bestimmten Tag geborenen Menschen oder eines Ereignisses für eine allgemeine Entwicklung oder den Beginn einer neuen Epoche ist.

So lässt sich etwa die Bedeutung des Libet-Experiments >> hinsichtlich der Auffassung von der Willensfreiheit und des determinierten, wissenschaftlichen Menschenbildes anhand des Mittagshoroskops von Benjamin Libet präzise veranschaulichen. Das nach ihm benannte Experiment fand statt, als Libet im Siebener-Rhythmus gegen den Uhrzeigersinn mit 63 Jahren das MC mit Sonne-Merkur-Konjunktion überläuft. Damit das Thema des Determinismus und der Fremdsteuerung angebend.

 

- Wenn nun das Mittagshoroskop gleichsam das Horoskop des Tages darstellt und damit eine Gültigkeit für alle an diesem Tag und Ort Geborenen hat, so muss von Bedeutung sein, wenn der Sonne der Mittagshöhe bereits im folgenden Zeichen steht, während sich der Sonnestand eines in der vorausgegangenen Nacht Geborenen noch auf dem letzten Grad des vorherigen Zeichens befindet.

Oder wenn die Sonne des Mittagshoroskop eines am Abend Geborenen noch im früheren Zeichen steht. Generell, wenn sich der Sonnenstand des Mittagshoroskop in einem anderen Zeichen befindet, als zur Stunde der Geburt, was nur innerhalb des letzten oder ersten Grads eines Zeichens möglich ist.

In beiden Fällen weist dies auf ein Spannungsverhältnis hin, bei dem die Person gegen eine vorgegebene allgemeine Haltung, gegen ein vorgegebenes Milieu steht.

 

- Der Konflikt lässt sich anhand der Vertreter der Zeichen definieren. Ein in der Nacht auf 29,7 Grad Waage Geborener, dessen Mittagshoroskop bereits einen Sonnenstand im Skorpion hat, hätte im Sinne der Venus-Pluto-Verbindung die Besetzung des öffentlichen Bewusstseins der Gegenwart zu artikulieren und erkennbar zu machen. Bei einem auf 29,5 Grad Löwe Geborenen, bei dessen Mittagshöhe die Sonne bereits in die Jungfrau gewandert ist, dürfte, einer Sonne-Merkur-Verbindung entsprechend, der unmittelbare Lebensausdruck des Löwen gegen ein übergeordnetes Milieu des Kalküls der Regelungen und der Vorsorge stehen, in dem die Umstände als das Bestimmende aufgefasst werden, und von dem es unabhängig zu werden gilt. Es gilt hier, im Sinne der Öffnung des Subjekts, die Unabhängigkeit der Gestalt und die Unbefangenheit der Begegnung zuzulassen. 

 

- Oder ein Sonnenstand von 29,8 Steinbock um 2 Uhr nachts geboren. Dieser hätte ein MC-Horoskop mit einem 0,2 Wassermann-Sonnenstand. Seine Person stünde also in einem Spannungsverhältnis zum mundanen Tagesschicksal der Geburt, das der Saturn-Uranus-Verbindung entsprechen würde.

Ein Beispiel gibt hier US-amerikanische Filmemacher David Lynch. Er wurde geboren am 20. Januar 1946 um 03:08 Uhr morgens mit einem Sonnenstand von 29, 7° Steinbock.

 

David Lynch, geboren am 20. Januar 1946, 3:08 Uhr, Missoula, USA

Sonnenstand: 29° 45 '23'' Steinbock

Es ist davon auszugehen, dass das zwölfte Haus im Skorpion eingeschlossen ist, da in Lynchs Filmen die Inhalte des Verdrängten mit der Sonne im dritten Haus unmittelbar als Vorgänge des Ungelösten erscheinen. Daher ist die geläufige Angabe einer Geburtszeit Lynchs von 3:00 Uhr auf frühestens 3:08 zu korrigieren.

David Lynch, 20. Januar 1946, MC-Horoskop, Missoula, USA

Sonnenstand 0° 10 '16'' Wassermann


 

Und das MC-Horoskop Lynchs hat die Sonne im Wassermann. Die Absurdität seiner Filme wie auch die Bedrückung oder Beklemmung, die von ihnen ausgeht, findet sich darin: Der Uranus ist in Abläufen und Vorgängen gefangen, die von einem falschen Saturn, einem Kollektivzwang bestimmt sind. Das formuliert Lynch.

Fatal ist dabei seine Rolle in der Esoterik, namentlich in der TM-Ideologie, wo der Uranus durch "geistige Technik" in eine mentale Vereinheitlichung gewungen werden soll.

 

- "Geistige Technik" ist ein Widerspuch in sich. Das sind unvereinbare Begriffe. Indem die Technik die Bewegung des Geistes zum Vorgang macht, schließt sie ihn aus. Der Geist ist wie ein Vogel.

Lynchs Filme verbleiben dementsprechend im Zeichenhaften, in der Verstellung der Zeichen, sie sind Erscheinungen des Sogs und des Zwangs des Verdrängten, ohne Begreifen und ohne Gestalt.

 

- Im Mittags-Horoskop erreicht er mit dreißig Jahren im Zehner-Rhythmus das MC mit der Sonne auf 0,2 Grad Wassermann. Dies war die Zeit seines Durchbruchs mit dem Film Eraserhead, der unter Verwendung surrealistischer und albtraumhafter Sequenzen von dem Verhältnis eines Mannes zu einem ihm aufgenötigten missgebildeten Baby handelt.

Es ist das Thema der Christopherus-Geschichte. Der zwölf Ellen große Christopherus wohnt in einer Hütte am Fluß. Will jemand ans andere Ufer, so trägt er ihn hinüber. Ein Dienst, der ihm von einem frommen Einsiedler aufgetragen wurde. Mit einer langen Stange stützt er sich ab, während er die Fluten durchschreitet. Einmal bittet ihn ein Kind, über den Fluß getragen zu werden. Beim  Durchqueren des Wassers aber steigt dieses immer höher und das Kind wird zugleich schwerer und schwerer. Christopherus gerät in arge Not und fürchtet, zu ertrinken. Schließlich am anderen Ufer angekommen, klagt er dem Kind, es sei ihm so schwer geworden, dass er meine, die ganze Welt getragen zu haben. Er habe nicht nur die ganze Welt getragen, sondern auch den, der sie geschaffen hat, antwortet das Kind. Und offenbart sich ihm als Christus.

DieWeigerung des Christopherus, Döbereiner, Sem. Bd 4, ergibt nach der Münchner Rhythmenlehre das Bild der Saturn-Uranus-Verbindung. Sie steht für die Aufgabe des Saturns, den Uranus, den Ursprung des Wirklichen, in die Bestimmung seiner Gestalt und damit in die Zeit zu tragen.

Es spricht für sich, dass das Kind in Lynchs Film missgebildet ist und schließlich vom Protagonisten getötet wird, woraufhin dessen Existenz sich ebenfalls auflöst.

Der Uranus im Zeichen Zwillinge steht hierbei freilich auch für eine Beliebigkeit des Abgreifens der Bilder des Absurden.

 

Textauszug

 

 

 

 

(C) Herbert Antonius Weiler, 2020