In der Eswelt waltet uneingeschränkt die Ursächlichkeit.
Das uneingeschränkte Walten der Ursächlichkeit in der Eswelt, für das wissenschaftliche Ordnen der Natur von grundlegender Wichtigkeit, bedrückt den Menschen nicht, der auf die Eswelt nicht eingeschränkt ist, sondern ihr immer in die Welt der Beziehung entschreiten darf. Hier stehen Ich und Du einander frei gegenüber, in einer Wechselwirkung, die in keiner Ursächlichkeit einbezogen und von keiner tingiert ist; hier verbürgt sich dem Menschen die Freiheit seines und des Wesens. Nur wer Beziehung kennt und um die Gegenwart des Du weiß, ist sich zu entscheiden befähigt. Wer sich entscheidet, ist frei, weil er vor das Angesicht getreten ist.
Die feurige Materie all meines Wollenkönnens unbändig wallend, all das mir Mögliche vorwelthaft kreisend, verschlungen und wie untrennbar, die lockenden Blicke der Potenzen aus allen Enden flackernd, das All als Versuchung, und ich, im Nu geworden, beide Hände ins Feuer, tief hinein, wo die eine sich verbirgt, die mich meint, meine Tat, ergriffen: Nun! Und schon ist die Drohung des Abgrunds gebannt, nicht mehr spielt das kernlos Viele in der schillernden Gleichheit seines Anspruchs, sondern nur noch Zwei sind nebeneinander,
das Andere und das Eine, ...
Martin Buber, Ich und Du
Schrödingers Katze
- Die Vakuumfluktuation ist ein zeitgenössischer Topos, er gehört zum Sagenkreis des Urknalls.
Wie andere derartige Metaphern basiert sie auf der Unschärferelation. Die von Zenon begründet wurde.
- War es nicht Heisenberg?
- Nein, Zenon. Er stellte die Frage, ob überhaupt Bewegung möglich sei, wenn doch jede zurückgelegte Strecke unendlich teilbar sei. Wenn etwa Achilles ein Wettrennen mit einer Schildkröte einginge und er dabei der Schildkröte, weil sie langsam sei, einen Vorsprung gäbe, so Zenon, müsse er, bevor er die Schildkröte überholen könne, zuerst ihren Vorsprung einholen. Nachdem er diese Strecke zurückgelegt hat, ist die Schildkröte aber auch ein Stück weitergekommen und hat einen neuen, kleineren Vorsprung gewonnen, den Achilles nunmehr einholen muss. Nach dieser Strecke hat die Schildkröte wiederum einen kleinen Vorsprung und so weiter. Der Vorsprung der Schildkröte, wird zwar immer kleiner, bleibt aber stets ein Vorsprung. So kann sich Achilles der Schildkröte zwar immer weiter nähern, aber einholen und überholen könne er sie nie. Seine Bewegung verliere sich in der unendlichen Teilung.
- Das erinnert an Kafkas Boten, "der Dir, dem Einzelnen eine Botschaft des Kaisers überbringen soll", er läuft los, aber die Menge die er durchschreiten muß, ist so groß; "ihre Wohnstätten nehmen kein Ende.... wie nutzlos müht er sich ab; ... nach den Höfen der zweite umschließende Palast; und wieder Treppen und Höfe; und wieder ein Palast; und so weiter durch Jahrtausende; und stürzte er endlich aus dem äußersten Tor - aber niemals, niemals kann es geschehen"... aus: Die kaiserliche Botschaft, Franz Kafka >>
- Zenons Paradox, nach dem die Schildkröte nie überholt werden könne, basiere, so sagt man, auf einem Denkfehler: Eine endliche Menge ist zwar unendlich teilbar, aber nichtsdestotrotz eine endliche Menge. Rechnerisch sei es ohnehin gelöst. Die Infintisimalrechnung erfasse das Problem.
- Tatsächlich jedoch kann auch sie nicht einen konkreten Zeitpunkt benennen, an dem die Schildkröte überholt würde, sie formalisiert nur die größtmögliche Annäherung und erlaubt auf diese Weise eine Aussage.
- Das Gleichnis erinnert an jene Träume, in denen man rennt, aber nicht vorwärtskommt.
- Zenon sagt auch, ein fliegender Pfeil nehme in jedem Moment seiner Flugbahn einen bestimmten Ort ein. Dort aber, an genau diesem Ort, sei der Pfeil in Ruhe. Da der Pfeil in jedem Augenblick aber an genau einem Ort sei, befände er sich insgesamt in Ruhe. Wir nehmen aber an, dass der Pfeil fliegt.
- Entweder der Pfeil fliegt, dann ist keine Aussage über seinen Ort möglich, oder er ist zu verorten, man stellt ihn fest, dann fliegt er nicht mehr. Das wäre dann das, was man wissenschaftliche Feststellung nennt.
- Das ist praktisch die Unbestimmtheitsregel Heisenbergs zweieinhalb Jahrtausende zuvor.
Zenons Unschärferelation wurde von Heisenberg auf die Beobachtung der kleinen, nur durch Meßgeräte erfassbaren Teilchen bezogen: Heisenbergs Unschärfeprinzip besagt, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind. So etwa Ort und Impuls. Wird das eine gemessen, geht das andere verloren.
- Diese prinzipielle Nichtfeststellbarkeit wurde, um rechnerisch mit ihr umgehen zu können, zu Wahrscheinlichkeitspotentialen formalisiert, die dann die quantenmechanischen Rechenoperationen erlaubten.
- Beispielsweise wurde der Zustand eines Atoms, dessen Zerfall zwar innerhalb einer Stunde stattfinden sollte, der für einem bestimmten Zeitpunkt aber aufgrund der Unschärferelation nicht vorhersagbar sein kann, als zugleich zerfallen und nicht-zerfallen formalisiert. Dieser Zustand wurde als Superposition bezeichnet oder, mit Bezug auf den Physiker Erwin Schrödinger Katzenzustand -cat state - genannt.
- Schrödinger konstatierte das Beispiel von der Katze, die dann als Schrödingers Katze zum Begriff wurde. Der Zeitpunkt des Zerfalls eines Atoms sollte als nicht bestimmbar gelten, da die Messung erst den Zustand entscheidet. Solange die Messung nicht stattgefunden hat, muss nach den Formalien der Quantenmechanik der Zustand des Atoms zugleich als zerfallen und nicht-zerfallen aufgefasst werden.
- Schrödinger hielt nichts von dieser Anschauung. Er erfand daraufhin das Gedankenexperiment einer Katze in einer Stahlkammer. Ein Mechanismus ist an den Zerfall des Atoms gekoppelt, der aufgrund des Impulses beim Zerfall ein Giftgas entlässt, das die Katze tötet. Da aber erst die Messung entscheidet, ob das Atom noch existiert oder zerfallen ist, befindet sich auch die Katze in einem Zustand, in dem sie zugleich tot und lebendig ist.
- Schrödinger mochte seine Katze nicht?
- Er war selber die Katze, geboren im Zeichen Löwe, am 12. August 1887, mit der Sonne im elften Haus, im Haus des Wassermanns. (dessen Phase im chinesischen Tierkreisreigen zeitlich der Katze entspricht)
Erwin Schrödinger, 12. August 1887, Wien, 8:33 Uhr
- Das Gedankenexperiment mit der Katze gab er 1935 , als er 48 Jahre alt wurde, zur Diskussion, es stellte eine Kritik an der statistischen Handhabung quantenmechanischer Zustände dar, in denen ein entweder oder aufgehoben scheint und zwei einander ausschließende Zustände als zugleich existent bewertet werden. Sein Resümee aus dem Gedankenexperiment lautete:
"Das Typische an solchen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden läßt. .. Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.“ Erwin Schrödinger, Naturwissenschaften 1935.
Im Jahre der Veröffentlichung des Gedankens, der später als Schrödingers Katze oder Katzenzustand zum Begriff wurde, löst sich in seinem Horoskop, im Orbis des 48sten Lebensjahres, der Neptun aus, der, vom Deszendenten kommend und in Haus Neun stehend, die Wirklichkeit der Begegnung zur Anschauung werden lässt.
Bei Jungfrau am Aufgang und Merkur-Saturn-Konjunktion in Haus Zehn im Spiegel zum Neptun artikuliert Schrödinger damit eine Infragestellung formalistischer Regeln der Beobachtung, wie sie von Saturn-Merkur in Haus Zehn repräsentiert werden. Dies freilich nur in opportunem Maße, da er zugleich im Konsens naturwissenschaftlicher Denkhaltung und der damit verbundenen Neutralisierung der Begegnung, im Sinne von Bubers Es-Welt, verbleibt.
- Die gefangene Katze kommt nicht frei?
- Von ihrem weiteren Leben ist nichts berichtet. Mit der Löwe-Sonne in Haus elf wollte Schrödinger das Ungeschiedene zur Entscheidung bringen – was aber bleibt ist das Bild von der eingesperrten Katze in dem Kasten und ihrem ungeschiedenen Zustand zwischen Tod und Leben.
- Sie kommt nicht über Saturn-Merkur in Haus Zehn hinaus.
- Sie wartet schon lange, denn die Jungfrau beherrscht Haus zwölf und elf zugleich.
- Der Katzenzustand , die Überlagerung oder die Superposition ist ein grundlegendes Element quantenmechanischer Rechenoperationen.
- Die Fluktuation eines Quantenfeldes, in dem nach klassischem Verständnis nichts ist, stellt man sich vor als ein permantes Aufscheinen virtueller Teilchen, die nicht existieren, aber auch nicht nicht existieren. Unbändig wallend, vorwelthaft kreisend, Urwirbel, wie Buber es nennt. Das Chaos der Ungeschiedenheit.
- Ein fluktuatives Aufflackern von noch nicht erschienener Erscheinung, ohne Stetigkeit. Ein stetiges Ja und Nein zugleich, das nicht aus dem Zustand der Ungeschiedenheit herauskommt.
- Ein altes Thema in naturwissenschaftlichem Gewand. Im Rig-Veda gibt es eine poetische Aussage über diesen Zustand: Nicht war nichts damals, noch war nicht Nichts. Gab es denn ein Oben, gab es denn ein Unten?
- In der Genesis heißt es: Der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Die Fluktuation erschließt sich aus einem Hinweis den Martin Buber anläßlich seiner und Rosenzweigs Übersetzung der Bibel aus dem Hebräischen gibt: Das Wort, das gewöhnlich ins Deutsche mit schwebte übersetzt wird, ist das hebräische merachephet- מרחפת. Das Verb kommt, wie Buber betont, nur noch ein einziges weiteres Mal in der Bibel vor, nämlich dort, wo es heißt, Wie ein Adler … über seinen Nestlingen schwingt 5. Moses 32,11: Wie ein Adler erweckt seinen Horst, über seinen Nestlingen schwingt, seine Flügel spreitet, eins aufnimmt, es auf seinem Fittich trägt
- Gemeint ist das Schweben des Adlers über seinen Jungen, mit kaum wahrnehmbarer Bewegung der Flügel, kein Schlagen der Flügel, ein Vibrieren, ein fast unsichtbares Schwingen, so schwebt der Adler über seinen Jungen, wachsam. Wie der Geist Gottes über den Wassern, ein schwingendes, vibrierendes Schweben. So heißt es in der Buber-Rosenzweig-Übersetzung:
Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gen, 1,2
- Es ist nach der Teilung von Himmel und Erde. Ein Oben und ein Unten gibt es schon.
- Auch das Konzept der Vakuumfluktuation hat schon ein Oben und ein Unten, basiert auf einer Subjekt-Objekt-Beziehung: Als eine Konsequenz des Beobachterproblems setzt es einen Beobachter voraus. Urknall >>
- Wie alle derartigen Konzepte ergibt es sich aus dem Messproblem und dem damit verbundenen Unbestimmtheitsprinzip. Die Tatsache, dass man mit dem quantenmechanischen Formalismus, die sich aus dem Unschärfeprinzip ergebenden Phänomene rechnerisch handhaben konnte, machte im Beamtenbetrieb des Wissenschaftsdenkens die erkenntnistheoretischen Grundlagen vergessen, dass man es hierbei nicht mehr mit herkömmlichen mathematischen oder physikalischen Objekten zu tun hatte.
- Der englische Mathematiker Roger Penrose machte auf diesen grundlegenden blinden Fleck aufmerksam: Die Quantentheorie hat in Penrose' Augen ein konzeptionelles Loch: das sogenannte „Messproblem“. Darunter versteht man den Umstand, dass Quantenobjekte, etwa Teilchen, rechnerisch als Zustände behandelt werden, die selber nicht beobachtbar sind, sondern nur so etwas wie ein Katalog von Wahrscheinlichkeiten für den Fall einer Beobachtung darstellen. Beobachtbare Eigenschaften „materialisieren“ sich demnach erst im Moment der Messung, ihre Messwerte sind nur statistisch vorhersagbar…. Physiker, die durch Quantentheorie sozialisiert sind, neigen heute eher zu der Auffassung, dass die Welt doch nur aus Zuständen besteht, die ausschließlich deterministischen und zeitsymmetrischen Gesetzen gehorchen.
aus: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 12, 26. 3.2006, „Die Welt muß stimmen“
- Roger Penrose ist, wie Erwin Schrödinger, im Zeichen Löwe geboren. Am 8. August 1931. Die Auffassung von einer deterministischen Welt, einem Universum als Ideale Maschine, wie Descartes es entwarf, und von dem die Naturwissenschaft, trotz der Zäsur durch die Quantenmechanik, nach wie vor geprägt ist, widerspricht dem Prinzip des Löwen, dem es um das unmittelbare Leben und um die Unabhängigkeit des Einzelnen geht.
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Textauszug
(C) Herbert Antonius Weiler, 2012/2018
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