Rudolf Steiner:

 

Wie ein rich­tiger Maler weiß, daß er nur eine Fläche hat, so wußte Shakespeare, daß er einen Raum hat. Das gehört dazu. Wenn man die Shakespeare­schen Gestalten in diesem Sinne lebendig macht, dann kann man sie mit hinaufnehmen in die übersinnliche Welt, und sie bleiben leben­dig... sie agieren dort...

Wenn Sie ein Hauptmannsches Drama nach der geistigen Welt nehmen, so sterben die Gestalten ab. Die werden Puppen aus Holz. Auch Ibsensche Gestalten. Sogar Iphigenie von Goethe lebt nicht vollständig auf dem Astralplan. Die Shakespeareschen Gestal­ten bewegen sich dort und tun etwas, was im selben Stile ist...

Es war für mich auch überraschend... Hauptmannsche Gestal­ten sind hölzerne Figuren. Die Iphigenie von Goethe wird ein Pro­blem, keine lebende Figur. Auch der Tasso nicht. Die Schillerschen Gestalten, Thekla und Wallenstein, die sind auf dem Astralplan betrachtet, aus Werg, ausgestopfte Strohsäcke... Dagegen Shakespeares nebensächlichste Figuren leben alle noch, weil sie aus dem Theaterbedürfnis entstanden sind.

Was Wirkliches imitiert, lebt nicht auf dem Astralplan. Es lebt das, was aus den Emotionen kommt, nicht aus dem Intellektuellen. Auch die derbkomischen Sachen leben auf dem Astralplan sofort. Sie sind nicht gemacht, um Wirkliches zu imitieren.

 

Konferenz vom 28. April 1922, GA 300b