Kippenberger und die verdrängten Wege
Der Maler und Bildhauer Martin Kippenberger, geboren am 25.2.1953, einst, zu Beginn der 1980er Jahre zu den Neuen Wilden >> gezählt, hinterließ ein umfangreiches Werk, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine wachsende Würdigung erfahren hat.
Neben den bekannten Arbeiten, wie etwa Krieg böse, Sympathische Kommunistin, Zuerst die Füße und ähnlichem, ist die Wahrnehmung seiner Hinterlassenschaft dabei zunehmend geprägt, von der späten, posthum weitergeführten Arbeit metro-net.
Dabei handelt es sich um ein U-Bahnsystem im Nichts, eines, das gleichsam nicht real existiert, sondern aus weltweit anzutreffenden U-Bahn-Eingängen bestehen soll, die nirgends hinführen, Eingänge ohne Tunnel und ohne U-Bahn, Attrappen, die aus dem bekannten Ambiente gewohnter Metro-Zugänge bestehen.
Die erste Station dieser Art, ein Treppenabgang aus Beton, installierte Kippenberger im Jahre 1993 auf der griechischen Insel Syros, 1995 wurde ein aus Holz gebauter Eingang in Kanada nördlich des Polarkreises installiert und ein weiterer 1997, das Jahr in dem Martin Kippenberger starb, in Leipzig.
Es folgten posthum errichtet transportable U-Bahn-Eingänge auf der Documenta, der Biennale und zuletzt, im Jahre 2001 in einem Schweizer Dorf.
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- was ist der unterschied zwischen gemeinwesen und gemeinschaft?
- die schaft ist die verdrängung des wesens. sie stellt immer eine formalisierung dar. hier die formalisierung des gemeinsamen. das wesen des gemeinsamen basiert dagegen auf der beziehung der individuen zueinander.
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- mannschaft, bruderschaft, burschenschaft.
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- und wissenschaft? die verdrängung des wesentlichen wissens? >>
- die installation von spezifischem ambiente in ungewohntem umfeld war mode geworden. neo-geo lautete das schlagwort, die dritte neuauflage von duchamps ready mades, eigentlich untypisch für kippenberger. zu brav.
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- mit fische-sonne im zweiten haus ist der kunstbetrieb als bürgerlicher ziergarten auf dauer das falsche revier.
kippenberger hat die gleiche konstellation wie multatuli, auch fische-sonne in haus zwei und steinbock im aufgang . multatuli war niederländischer kolonialbeamter auf java. für ihn war die verletzung des prinzips des gemeinwesens in form der ausbeutung und drangsalierung der javaner unerträglich, so dass er es artilukierte und zum Schreiben fand und schließlich seine stellung in der kolonialverwaltung aufgab.
- in gewissem sinne ist die kolonialwirtschaft eine entsprechung zum kunstbetrieb - hier wie dort wird eine ursprünglichkeit ausgebeutet und dem konsum des kollektivs zugeführt.
- eine schweizer astrologin und frühere galeristin macht die beobachtung, dass etliche kunsthändler aus dynastien hervorgehen, die früher geschäftlich im sklavenhandel involviert waren -
- der gefangene uranus. als kunststeller im kunstbetrieb. Er ist der "kanarienvogel im käfig, der besonders schön singt". wolfgang döbereiner.
© H e r b e r t A n t o n i u s W e i l e r