-Bei Kafka gibt es eine Geschichte über einen Torwärter.-
-Stimmt. Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Ein Mann vom Lande will hinein.-
-Eigentlich ist es weniger eine Geschichte über den Torwärter, als über den, der darauf wartet, eingelassen zu werden.-
-Er begehrt immer wieder Einlaß und wird stets abgewiesen. Jetzt noch nicht, wird ihm vom Türhüter beschieden. Bis zu seinem Tode, da beugt sich der Türhüter zu ihm hin und ruft ihm ins Ohr, das Tor sei nur für ihn gewesen, jetzt werde es geschlossen.-
-Hillels Spruch wäre die Antwort, für den Türhüter gewesen: Wenn nicht jetzt, wann dann! -
-Nicht nur für den Türhüter. Die Losung gilt auch dem Wartenden. Kafka, der sich in den Schriften auskannte, wusste zweifellos von Hilles Aphorismus.-
-Es war auch Kafkas Thema. Er tat eine ähnliche Aussage: Es gibt nur das Ziel, was wir Weg nennen ist Zögern.-
-Was war dann das Versäumnis des Mannes? Was hätte er anderes tun sollen, wenn ihm der Türhüter immer wieder versichert Jetzt noch nicht ?-
-Er hatte das Herz nicht. Auch wenn er immer wieder nach Einlaß fragte. Er hatte sich in der Abweisung eingerichtet.-
- Sein Warten war ein Aufschieben? -
- Das ist sein Versäumnis.-
- Dann ist es auch die Geschichte des Türhüters. Denn dieser hatte auch gewartet.
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(C) Herbert Weiler, 2014
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