Der Essay ist enthalten in dem bald erscheinenden Buch

Die Wohnmaschine 

Essays und Betrachtungen

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Eurotunnel und Brexit

Das Prinzip der Insel

 

 

Zum ersten Male seit der Eiszeit sei es wieder möglich, trockenen Fußes vom Festland aus nach England zu gelangen, titelten die Zeitungen am Tage des Durchstichs des Eurotunnels.

Drei Jahre zuvor hatten Frankreich und England begonnen, den Tunnel zu graben, der beide Länder verbinden sollte.

Vierzig Meter unter dem Meeresboden verliefen die Bohrungen jeweils von Dover und Calais aus.

Am 1. Dezember 1990 um 12:12 Uhr kam es zum Zusammentreffen der beiden Tunnel.

Dies geschah etwa 15,5 Kilometer von der französischen und 22,5 Kilometer von der englischen Küste entfernt. Die letzte Wand wurde durchstochen, man reichte sich vor der Presse die Hand durch das entstandene Loch und vergrößerte es dann, bis ein Mann von der britischen Seite zur französischen durchgezogen werden konnte.

Die Einweihung durch den französischen Präsidenten und die englische Königin fand am 6. Mai 1994 statt und ein paar Monate später fuhren die ersten Züge durch den Tunnel.

 

Das ausschlagebende Datum des Tunnelbaus dürfte jedoch der Tag des Durchstichs sein, geht man von den Hervorhebungen etlicher Medien aus, dass es seit der Eiszeit keine begehbare Verbindung zwischen der Insel und dem Kontinent mehr gegeben habe.

Den Plan, einen Tunnel durch den Ärmelkanal zu bauen, hatte man bereits zur Zeit Napoleons gefasst. Immer wieder war es zu erfolglosen Ansätzen gekommen, ihn zu realisieren. Stets waren diese Pläne von britischer Seite auch mit einem Unbehagen kommentiert worden, das sich in Ängsten vor einer Invasion und Überlagerung äußerte.

Auch als man 1987 mit dem Bau des Eurotunnels begann, waren Stimmen zu vernehmen, die von einem Verlust der Inselseele  Britaniens sprachen.

Die fundamentale Verunsicherung des britischen Selbstverständnisses und der britischen Reviersouveränität mag mit der Verletzung der Bestimmung des Gewachsenen zusammenhängen. Das Meer, das Britanien einst ermöglichte zur Weltmacht aufzusteigen, war mit dem Eurotunnel entmachtet worden. Die Britische Insel ist nun keine Insel mehr.

Durch den Eurotunnel werden seitdem jährlich etwa 20 Millionen Passagiere zwischen England und Festland befördert und die einstmals in den Medien geäußerten Bedenken, ohnehin von eher lyrischer Art, sind verschwunden. Der Tunnel scheint zur europäischen Normalität geworden zu sein. 

 

Aber die Unsicherheit ist nur verdrängt und äußert sich auf andere Weise - in der Angst vor wirtschaftlicher Überlagerung und Fremdbestimmung. Es lässt sich die verletzte Inselseele als das eigentliche Motiv des britischen Austritts aus der Verflechtung mit der Europäischen Union vermuten.

Ähnlich der Angst vor dem menschengemachten Klimawandel >> wird hier eine tatsächliche Bedrohung und Verletzung auf eine andere Ebene projiziert.

wirtschaftlicher Überlagerung und Fremdbestimmung. Es lässt sich die verletzte Inselseele als das eigentliche Motiv des britischen Austritts aus der Verflechtung mit der Europäischen Union vermuten.

Ähnlich der Angst vor dem menschengemachten Klimawandel >> wird hier eine tatsächliche Bedrohung und Verletzung auf eine andere Ebene projiziert.