Textauszug

Der Essay ist enthalten in dem Buch 

Die Vögel und die Farben >>



Die Schwüle

 

Der amerikanische Autor Ray Bradbury schrieb phantastische Erzählungen, die in der Zukunft spielen. In einer Kurzgeschichtensammlung aus den 1950er Jahren wird eine damals nur schwer vorstellbare Gegenwart geschildert, in der jedermann ein kleines Telefon in der Jackentasche mit sich trägt. Ein Mann in der Straßenbahn erlebt das keineswegs als Segen, sondern als eine ausweglose Beklemmung. Der Sitznachbar ihm gegenüber wird von der Ehefrau angerufen, er erklärt ihr, wo er gerade sei und wo er gleich sein werde, welchen Platz die Straßenbahn dann passieren werde. Ein anderer berichtet seinem Gesprächspartner am Telefon Ähnliches, so auch alle anderen Fahrgäste – ein Stimmengewirr von unablässigen Berichten darüber, was man gerade mache, wo die Bahn sich befinde und wo es danach hinginge.

Es ist die Ausweglosigkeit des permanenten Austauschs redundanter Mitteilungen, die der Protagonist der Geschichte als traumatische Bedrückung erfährt.

 

Ray Bradbury, der am 22. August 1920 geboren wurde, beschreibt in dieser Szene die Schwüle einer ununterbrochenen Gemeinschaftlichkeit, eine Wolke der unausgesetzten Verflechtung und Konnektivität, aus der ein Entkommen nicht möglich scheint, kein Ort mehr, wo man unerreichbar ist. Kein Ausweg aus dem Kommunikationsnetz.

Im Zeichen Löwe geboren, geht es Bradbury um die Freiheit des Lebens und seiner Ungebundenheit gegenüber einer allumfassenden Vernetzung, in der es kein Aufatmen mehr gibt.

Fünf Jahrzehnte nach dem Erscheinen der Geschichte wurde mit der Entwicklung des Mobiltelefons Bradburys beklemmende Schilderung zur Realität. Sie wurde in den folgenden Jahren durch das Smartphone und das mobile Internet noch übertroffen.

Bradbury, zwar der Science Fiction zugerechnet, war kein Autor, dem es um technische Utopien ging. Hier erzählt er aus der Perspektive des Einzelnen, der die Schwüle einer kollektiven Vernetzung erlebt.

 

Die Entwicklung des Mobilfunks wurde durch das Netz der Funkzellen möglich, die im Unterschied zum Rundfunk gleichsam eine Kommunikationswolke erzeugen, in der die einzelnen Nachrichten - durch Zerhacken verschlüsselt - kursieren.

Erbrachte die Dichte dieser Wolke von kursierenden Informationen zu Beginn des Mobilfunks noch gerade die Leistungsmenge von 0,1 Megabit in der Sekunde, so ist diese binnen der vergangenen zwanzig Jahre auf derzeit 100 Mbit/s, dem 4G-Standard, angewachsen. 

Um selbstfahrende Autos, fernsprechende Kühlschränke und miteinander kommunizierende Maschinen zu ermöglichen, soll nun das Netz der fünften Generation installiert werden, das 5G-Netz, das eine Datenmenge von zwanzigtausend Megabit pro Sekunde schleust, damit das Zweihundertfache des gegenwärtigen Standards.

 

Indes wird Bradburys Beklemmung eher selten thematisiert. Zwar werden Bedenken und Warnungen wegen der biologisch irritierenden Wirkung der Mobilfunkstrahlung geäußert, über den funktionalen gesundheitlichen Aspekt dieser Bedrohung hinaus wird jedoch die Schwüle des Eingebundenseins in der Kommunikationswolke, die Enge der stetigen Vernetzung von kaum jemandem wahrgenommen. 

 

Vor dem Mobilfunk konnte man abends am Flußufer spazieren gehen und war in dieser Zeit unerreichbar. Dazu bedurfte es keines Entschlusses. Es gab schlicht nicht die Möglichkeit einer Mitteilung. Heute ist es notwendig, sich dagegen zu entscheiden und das Mobiltelefon auszuschalten oder erst gar nicht mitzunehmen.

 

Zugleich, und das ist das Bemerkenswerte, wächst in der Öffentlichkeit eine allumfassende Angst vor der Schwüle: die Furcht vor der Klimaerwärmung.  

Seit der Gründung des Weltklima-Rats, wie der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC)  auch genannt wird, werden von diesem Institut regelmäßig Sachstandsberichte zum Klimawandel verfasst. Die Verlautbarungen werden, trotz Kontroverse und Kritik am teils unredlichen Gebaren des Instituts gegenüber Kritikern, als verlässlich angesehen: Eine Klimaerwärmung, die vom Menschen verursacht sei, und die, wenn man sie nicht unterbinde, katastrophale Folgen haben würde, gilt als sicher.

 

Auf Initiative einer schwedischen Schülerin protestieren Hundertausende Jugendliche in den Industriestaaten gegen eine menschengemachte Klimaerwärmung. In ihren Verlautbarungen und Manifesten ist stets von den Wissenschaftlern die Rede, deren Mahnungen überhört würden. Die Wissenschaftler haben gesagt, wie der Stand sei und was man tun müsse. Hört auf die Wissenschaft, heißt es immer wieder in den Plädoyers.

Darin, dass die menschengemachte Klimaerwärmung erst mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaft und der mit ihr verbundenen Industrialisierung eingesetzt hat, sehen die Protestierenden vorerst keinen Widerspruch. In den Fußgängerzonen der Städte legen sich Schüler hin und wieder aufs Pflaster, um Klimaopfer darzustellen.

 

Die Diskrepanz zwischen einer tatsächlich erfahrbaren Bedrohung und der Angst vor einer gewähnten zu-künftigen katastrophalen Erwärmung ist erstaunlich. 

Die Steigerung der ohnehin vorhandenen öffentlichen Dramatisierung durch die Schüler verläuft gleichsam parallel zu der Initiierung des neuen 5G-Netzes. Die Fokussierung auf den Klimawandel und das zugleich völlige Ausblenden der mit dem neuen Netz verbundenen enormen Zunahme der Mobilfunkdichte und ihrer Gefahren irritiert und lässt den Eindruck aufkommen, dass eine eigentliche und gegenwärtige Bedrohung nicht zu Bewusstsein kommt und daher auf Zeichen übertragen wird: die Bedrohung des Lebens des Einzelnen in der Schwüle der umfassenden kollektiven Vernetzung. 

 

Sie wird stattdessen zeichenhaft auf die Bedrohung durch die zukünftige Schwüle einer Klimaerwärmung übertragen. Ein internationaler Handwasch-Zwang.

Es ist die Angst vor der Schwüle. Eine Verwechslung.

 

Es wäre indes eine Verkennung, die Fokussierung auf den Klimawandel einer Strategie der verschwörerischen Ablenkung durch Medien und Konzerne zuzuordnen – es ist die Neurose der Industriegesellschaft und ihrer Vernetzung, die sich in der Klimaerwärmung ein Zeichen sucht, in der die Bedrückung durch die Schwüle der unentrinnbaren Gemeinschaftlichkeit und die Angst vor ihr zum Ausdruck kommen.

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- Rein sachlich geht es nicht nur um Erwärmung. 

Klima-Aktivisten sind sich durchaus darüber im Klaren, dass ein Klimawandel bei näherer Betrachtung, eine Vielzahl unterschiedlicher klimatischer Phänomene nach sich ziehen würde. 

 

- Mag sein. Die Verlautbarungen des Weltklima-Rats und der Medien sind jedoch hauptsächlich geprägt von Begriffen wie Treibhauseffekt und Klimaerwärmung. Die Erzählung vom Klimawandel ist eine Erzählung von der Schwüle.

 

- Und warum sollte die Verflechtung des Mobilfunks eine andere Qualität haben, als die sozialen Verbindlichkeiten vergangener Zeiten? Was spricht dagegen, wenn ich nunmehr vor der Entscheidung stehe, das Mobiltelefon auszuschalten oder erst gar nicht mitzunehmen. Es ist doch jedermanns Freiheit.

 

- Eine Entscheidung zu der Sie genötigt werden. Wählen zu können, ob Sie ihr Mobiltelefon mitnehmen, wenn Sie am Flussufer spazieren gehen, ist nicht wirklich frei, weil Sie ohnehin permanent einer Konnektivität ausgesetzt sind, nämlich sich stets in einem Feld zu befinden. Dies rein physiologisch in Form des elektromagnetischen Funknetzes.

Und sozial, weil man von Mobiltelefonierern umgeben ist und selber als stets erreichbar gilt.

 

- Jeder, der den Unterscheid zwischen dem Leben in der Stadt und dem Leben auf dem Lande schon mal erfahren hat, weiß das: Die Ruhe und Freiheit auf dem Lande besteht nicht allein im Wegfall des Lärms, sondern sie basiert darauf, dem Feld einer kollektiven Betriebsamkeit und Zugehörigkeit entkommen zu sein. Dabei kann jemand auf dem Lande sogar an einer lauteren Strasse wohnen, es ist trotzdem ruhiger. Es gibt die Bannmeile, wenn man etwa an einem Freitagabend noch in die Stadt fährt, wo, wenn man sie überschreitet, das Fieber der Stadt deutlich spürbar ist.

 

- Das ist eine Schwüle im übergeordneten Sinne. Die Schwüle, die man empfindet, wenn man in erhitzter Gesellschaft auf den Balkon oder in den Garten hinaustreten will, um Atem zu schöpfen und zur Ruhe zu kommen. Das wird in einer 5G-vernetzten Gesellschaft noch weniger möglich sein als derzeit. Dieses offene Fenster, der Austritt auf den Balkon oder der Waldspaziergang, nämlich die Möglichkeit, das Feld des Kollektivs zu verlassen, ist nicht mehr gegeben. Und die Klimaerwärmung ist, unabhängig davon, ob Journalisten und Aktivisten wissen, dass es sich um diverse klimatische Veränderungen handeln könnte, ein Topos von der Erwärmung.

 

- Es gibt also eine Erwärmung. Die der erhitzen Gesellschaft?

 

-  Man spricht nicht ohne Grund vom Klima der Beziehungen oder von der Atmosphäre eines Treffens. Gründet die Beziehung nicht in der Begegnung der Individuen, sondern basiert auf sozialer Verflechtung und Gemeinschaftszwang, so muss die mangelnde Öffnung in der Schwüle zum Ereignis werden. Das ist der Grund, warum mit dem Beginn des des Wissenschafts- bzw. Industriestaates der menschengemachte Klimawandel eingesetzt hat.

Das Klima hängt von der Beziehung der Menschen zueinander ab.

Die Angst vor der Klimaerwärmung hat hingegen nichts mit persönlicher Vergewisserung zu tun, sondern basiert auf Übertragung von Information und damit von Ideologie. Kein Statement, in dem nicht die Wissenschaftler zitiert werden. Es ist der Ausdruck dieser Bewegung: Sie ist moralisierend.  

 

- Aber Wissenschaft kann nun mal einen Sachverhalt feststellen.

 

- Schon die Reduzierung der Welt auf einen Sachverhalt neutralisiert die Natur als Gegenüber.

Die Wissenschaft basiert auf der Erkenntnisdefinition Bacons, nach der nur das Erkenntnis sei, was Erkenntnis eines Nutzens bedeute - wie auch der des Descartes, nämlich der Definition der Wissenschaft über die methodologische Vorgehensweise. Das bedeutet, dass die Begegnung mit der Gestalt ausgeschlossen ist und stattdessen die Umstände als bestimmend aufgefasst werden. Daher bezeichnete Decartes die Natur als Maschine. Das Zweckdenken der Wissenschaft ist dabei generalisiert, so dass es nicht mehr als solches auftritt, da die Reduzierung auf den Zweck vorgegeben ist. So kann sie neutral erscheinen, 

Das Wissenschaftsdenken bleibt im Zeichen Zwillinge und Jungfrau stecken und verweigert nicht nur die Bewegung zum Seelischen - Krebs - und zur Gegenwart der Gestalt - Waage - sie schließt diese aus. Daher ist die Wissenschaft vom Ansatz her gestaltzerstörerisch. 

 

- Das ist der Grund, warum die Umweltzerstörung seit Beginn des Wissenschafts- und Industriedenkens begonnen hat. Wissenschaft muss zerstören. 

Wenn jemand Sie nicht als Person betrachten würde, nicht als Du, sondern nur als Lieferant eines Nutzens für ihn, letztlich Sie sogar als Person im Sinne eines Gegenübers bestreiten würde, so würden Sie das mit Recht als destruktiv empfinden.

Daher ist es ein eklatanter Widerspruch, sich auf Wissenschaft zu berufen, um die Zerstörung der Welt aufzuhalten - dies betreibt die Zerstörung nur weiter, da auch darin die Natur nicht als Gegenüber erkannt wird, sondern nur als "Umwelt".

 

- Die Autoritätsgläubigkeit gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb offenbart sich dabei in fast allen Verlautbarungen. Auf den naiven Satz  "Die Wissenschaftler haben gesagt" beruft sich letztlich die gesamte Rhetorik der Bewegung. 

So gab ein Gymnasiast im Deutschlandfunk auf die Frage des Interviewers, warum man kritisch nachfragende Journalisten aus einer Konferenz ausgeschlossen habe und ob dies nicht eine Verweigerung der Diskussion sei, die Antwort, der Klimawandel sei Physik - und mit Physik könne man nicht diskutieren.

In einer TV-Debatte äußerte der Vertreter einer weiteren Aktivistengruppe, beim Klimawandel versage die parlamen-tarische Demokratie und deshalb sei eine neue Räte-Regierung anzustreben. Deren Vorgaben seien allerdings wiederum von Experten aus der Wissenschaft festzulegen.

 

- Das wäre die Diktatur der Experten, die des Wissenschafts-denkens schlechthin.     

 

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Astrologisch stellt sich die Schwüle nach der Münchner Rhythmenlehre als Jupiter-Neptun-Verbindung dar. So weist Wolfgang Döbereiner anlässlich seiner Wetterberechnungen darauf hin, dass diese dem Gewitter vorausgeht. 

Es zeigt sich, dass auch die Thematisierung des Klimawandels mit dieser Konstellation einhergeht. Jupiter-Neptun weist auf eine Unvereinbarkeit hin, da in der Reihe der Entwicklung Saturn und Uranus ausgelassen sind und damit eine fällige Vereinzelung nicht stattgefunden hat, ein Bruch mit dem falschen Verband nicht vollzogen wurde. Das ist die Beklemmung der Schwüle.

Begründet wurde der weltweite Schülerprotest gegen die Klimaerwärmung im August 2018 durch die damals sechzehnjährige Schwedin Greta Thunberg. Sie wird gelegentlich als Ikone der Protestbewegung bezeichnet. 

 

 

 

 

 

 

Wenn eine Person für eine Bewegung steht, ist das Mittagshoroskop des Geburtstages von Bedeutung. Greta Thunbergs Engagement gegen die Klimaerwärmung soll mit 12 Jahren begonnen haben, zunächst, indem sie im Hause ihrer Eltern zur Energieeinsparung das Licht ausschaltete. Dies findet unter der Auslösung der Neptun-Jupiter-Verbindung statt, beim Überlauf im Sieben-Jahres-Rhythmus pro Haus. Mars in Haus Sieben gehört mit zur Verbindung und zeigt die Wirkung auf das öffentliche Bewusstsein an. 

Der „starke Partner“ der im Zeichen der Jupiter-Mars-Verbindung gesucht wird, um sich am Verband, in dem man geächtet wird, zu rächen, erwächst Thunberg in der Position der moralischen Stärke des Engagements gegen den Klimawandel. Aus einer Familie von Bühnenberuflern kommend, wird sie dabei zur Ikone dieser Motivation. 

Dies, ohne dass die Zugehörigkeit des Kollektivs verlassen wird, sondern sie noch bestärkend in der gepredigten Autoritätsgläubigkeit gegenüber der Wissenschaft als absolute Instanz der Diagnose und Heilung einer Klimakrise.

               

 

 

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(C) Herbert Antonius Weiler, 2019